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Wir trauern um Felix

  Felix hatte am 9. September, drei Tage vor seinem 17. Geburtstag, einen sehr schweren Verkehrsunfall. Er war mit seinem Fahrrad spät am Abend unterwegs - leider wohl ohne Beleuchtung, allerdings auf einer durch Straßenlaternen erleuchteten Straße. Von hinten erfasste ihn ungebremst der Mercedes eines 44jährigen. Felix prallte mit dem Kopf gegen die Motorhaube, dann gegen die Windschutzscheibe. Und dann wurde er er durch die Luft geschleudert und erlitt beim Aufprall auf dem Bordstein weitere schwere Hirnverletzungen. Als der Notarzt kam, war er ohne Atmung und musste reanimiert werden. Er wurde ins Schorndorfer Krankenhaus gebracht, von wo er ins Katharinenhospital nach Stuttgart kam.

In der Nacht wurden wir von zwei Polizeibeamten von dem Unfall verständigt. Dass der Lenker des Unfallfahrzeugs betrunken war, sagten sie uns nicht - das hätte uns womöglich noch mehr schockiert.

Das Ganze war wie ein Alptraum für uns. Gaby, Rolf, Jelena und Saskia fuhren ins Krankenhaus und kamen noch vor Felix dort an. Er wurde dort operiert - das heißt, der rechte Teil seines Schädels wurde geöffnet, um Raum für das geschwollene Gehirn zu schaffen. Wie groß die Hirnschäden zu diesem Zeitpunkt schon waren, war niemand sicher klar. Zum Schaden durch den Aufprall kam auf jeden Fall noch die unbekannte Zeit, in der er am Unfallort ohne Sauerstoff war.

Seitdem waren wir fast ununterbrochen Tag und Nacht bei ihm. Seine Schwester Mona ist auch von ihrem FSJ aus Freiburg zurückgekommen, um ihm und uns beizustehen.

Sein 17. Geburtstag am Montag war für uns alle ein Erlebnis, das wir nicht mehr vergessen werden. Zusammen mit seiner Zwillingsschwester Jelena und seinen anderen Schwestern standen wir an seinem Krankenbett, schwankend zwischen Verzweiflung und Hoffnung.

Am Dienstag, 13. September, wurden unsere Hoffnungen sehr erschüttert. Es trat eine starke Hirnschwellung auf der linken Seite auf. Die Ärzte entschlossen sich zu einer Verzweiflungstat (so sagte es uns der operierende Arzt) und öffneten auch noch die linke Schädelhälfte. Diesen Eingriff hat sein übriger Körper zunächst gut überstanden. Aber es stellte sich heraus, dass die Hirnschäden so schwer waren, dass es im Grunde nur zwei Möglichkeiten gab: Entweder Felix würde innerhalb der nächsten Zeit sterben, oder er würde den Rest seines Lebens im Koma oder in schwerster geistiger Behinderung verbringen.

Am Abend des Dienstag fand eine Andacht in der Stadtkirche statt, zu der die Freunde von der Seglervereinigung eingeladen hatten. Doch statt 15 oder 20 Menschen waren es dann rund 150, die kamen. Ihr Dasein, Mitleiden und Mitbeten haben uns Mut geschenkt.

Rolf hat dabei das Neujahrsgedicht von Dietrich Bonhoeffer gesprochen, das wir auch an Felix' Bett gelesen haben:

Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag...

Und wir haben gesungen:

Geh unter der Gnade,
geh mit Gottes Segen,
geh in seinem Frieden,
was auch immer du tust.

Zu diesem Zeitpunkt haben wir schon damit gerechnet, dass Felix sterben würde. Und am Mittwoch, 14. September, verdichtete sich diese Befürchtung zur schrecklichen Gewissheit. Die Hirnschäden hatten sich als so schwer erwiesen, dass es keine Möglichkeit für Felix mehr gab, jemals wieder zu erwachen. Man hat dann alle medikamentöse Behandlung eingestellt und hat uns nur noch die schwere Aufgabe gegeben, auf seinen Tod zu warten.

Zunächst war nicht klar, wie lange das dauern würde. Felix' Körper war stark und nahezu unverletzt. Eine Lungenentzündung überstand er ohne Medikamente. Erst am Samstag begannen Blutdruck und Puls schwächer zu werden.

Die ganze Zeit sind wir bei ihm gewesen - abwechselnd, rund um die Uhr. In der Nacht auf Sonntag waren Gaby und Mona bei ihm. Morgens sind dann Jelena und Saskia gekommen, um die beiden abzulösen. Kurz danach verschlechterten sich die Werte rapide, und die beiden riefen bei Rolf zuhause an. Per Handy gelang es, Gaby und Mona zu verständigen. Rolf ist dann mit dem Auto nachgekommen.

Felix hat tatsächlich so lange ausgehalten, bis wir alle da waren. Wir haben noch gesungen ("Geh unter der Gnade") und das Vaterunser gesprochen. Und als Rolf dann sagte: "Geh in Frieden" - da hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Es war Sonntag, der 18. September 2005, um 9: 15 Uhr.

Wir hatten danach Ruhe und Zeit, ihn zu waschen und umzuziehen. Eine hochengagierte Bestattungsunternehmerin hat uns geholfen, seinen Körper aus dem Griff der staatsanwaltschaftlichen Beschlagnahmung herauszubekommen, so dass wir Felix in unserem Wohnzimmer hinlegen konnten. Und dort blieb er bis zum Tag der Beerdigung.

Viele - auch junge Menschen - haben uns besucht und Abschied von Felix genommen. Und für uns waren diese Tage eine Vorbereitung auf den endgültigen Abschied am Tag der Beerdigung.

In der Schule wurde ein Kondolenzbuch aufgelegt. Viele Mitschülerinnen und Mitschüler und viele Lehrerinnen und Lehrer haben etwas hineingeschrieben. Für uns sind das wichtige Zeichen der Verbundenheit mit Felix.

 

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