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Wir trauern um Felix

  Das Liedblatt zur Beerdigung

Einleitung

Einführung und Information

Beitrag der Schulklasse und der Offenen Werkstatt

Beitrag der Familie

Predigt zu Psalm 62,3 (Steffen Kaltenbach)

Gebet

Geleitwort

 

Gottesdienst zur Beerdigung von Felix Aljoscha Ulmer am 22.9.2005, 14.00 Uhr in Schorndorf

An der Aussegnungshalle

Glockengeläut

Orgelvorspiel

Chor: Du bist ja doch der Herr, auf den wir hoffen (Moritz Hauptmann)

Votum

Im Namen Gottes des Vaters,
der uns wie eine Mutter hält im Leben und im Sterben,
im Namen Gottes des Sohnes, der uns in seiner Ohnmacht Bruder und in seinem neuen Leben Hoffnungsträger ist,
im Namen Gottes des Geistes, der uns im Schmerz verbindet und der in uns den Keim neuen Vertrauens legen will. Amen.

Liebe Gaby, lieber Rolf, liebe Jelena, liebe Mona, liebe Saskia, liebe Familie, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, liebe Trauergemeinde,

Felix Aljoscha ist tot. Vor zwei Wochen noch stand er mitten im Leben, jetzt stehen wir auf den Friedhof, begleiten ihn zu seinem Grab.

Was ihr als Familie miteinander und was ihr jede und jeder ganz allein für sich in diesen zwei Wochen durchgemacht hat, können wir anderen nur in kleinen Teilen ahnen. Wir waren mit eurem Entsetzen mitschockiert, haben mit eurer Sorge mitgezittert, haben mit eurem Schmerz mitgeweint, haben mit eurem Flehen mitgebetet.

Vielen hat in diesen beiden Wochen die Stimme versagt. Und auch heute ist es schwer, in Worte zu fassen, was uns bewegt, was uns schüttelt, was uns sprachlos macht.

Das alte Gebet eines getrösteten Menschen mag uns mitnehmen auf den Weg, den ihr und wir mit Felix gehen müssen.

Gebet (Ps 121)

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom HERRN,
der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,
und der dich behütet, schläft nicht.
Siehe, der Hüter Israels
schläft und schlummert nicht.
Der HERR behütet dich;
der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand,
dass dich des Tages die Sonne nicht steche
noch der Mond des Nachts.
Der HERR behüte dich vor allem Übel,
er behüte deine Seele.
Der HERR behüte deinen Ausgang und Eingang
von nun an bis in Ewigkeit!

Barmherziger Gott,

Gaby und Rolf müssen ihren Sohn, Saskia, Mona und Jelena müssen ihren Bruder loslassen. Die ganze Familie hat ihren Felix nicht mehr. Wie viele Menschen, junge und ältere, sein Tod schmerzt, weißt du. Wir suchen Halt, wir fragen: Warum? Warum Felix? Warum so?

Wir können die Tränen nicht zählen, die aus Liebe zu Felix geweint werden mussten. Wir können uns aneinander festhalten, wir haben aber auch deinen Halt bitter nötig.

Gott geh mit uns diesen schweren Weg und schenke uns kleine Augenblicke der Freude, der Freude darüber, was wir mit Felix gehabt haben. Amen.

Einführung und Information (Rolf)

Was ist geschehen?

Hinter uns liegen knapp zwei Wochen, die unser Leben völlig verändert haben. Der Verkehrsunfall von Felix, unsere Hoffnungen auf Heilung oder doch Besserung, und dann immer mehr die Gewissheit, dass er keine Chance mehr hatte, zu uns zurückzukehren.

Wer selbst Kinder hat, ahnt, wie es Eltern und Geschwistern zumute ist in einer solchen Situation. Und wir haben erlebt, dass so viele Menschen mit uns gebangt, gehofft und gefühlt haben. Wir haben ungeheuer viele Briefe und E-Mails bekommen, und zahlreiche Menschen haben für uns gebetet und uns spüren lassen, dass sie an uns denken. Das hat uns geholfen, wenn wir abwechselnd rund um die Uhr bei Felix waren, wenn wir uns gegenseitig getröstet und manchmal nur miteinander geweint haben.

Dennoch: Unsere Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Felix lebt nicht mehr. Mit dieser Tatsache müssen wir heute umgehen, und wir hoffen, dass wir nicht mit wohlfeilen Antworten gehen, aber womöglich doch getröstet und getragen.

Die Lieder, die wir heute singen, haben wir auch an Felix’ Bett gesungen. Und manchmal konnten wir kaum glauben, was wir da sangen – und dennoch hat es uns geholfen. Vielleicht ist es auch jetzt so, wenn wir singen: „Von guten Mächten treu und still umgeben“

Lied: Von guten Mächten treu und still umgeben (EG 561)

Beitrag der Schulklasse und der Offenen Werkstatt (Tuch)

(Diese Texte sind noch nicht vollständig)

Dich verlieren?!

Dich verlieren an dein Glück oder an dein Unglück und nicht wissen können welches es ist.

Dich nicht verlieren wollen dir oder uns zuliebe

Oder desto weniger Antwort je öfter ich frage.

Dich nicht verlieren müssen vielleicht wenn wir stärker sind als dieses Unglück.

Erich Fried

Gerade da Felix so ein besonderer Mensch war, waren wir alle sehr betroffen, als Herr Ermert uns am ersten Schultag - an Felix Geburtstag - in der ersten Stunde mitteilte, dass Felix mit schweren Verletzungen am Schädel im Koma liegen würde und man sich nicht sicher sei, ob er überlebt.

Als er hinzufügte, dass Felix vielleicht mit schweren bleibenden Schäden wieder aufwachen würde, war uns allen klar, so wie wir Felix kannten, wird er nie wieder sein.

Eine solche Situation hatte die Klasse noch nie erlebt, die Atmosphäre war angespannt und bedrückend zugleich.

Ein langes Schweigen und in sich gekehrt Sein folgte.

Man dachte an die schönen Erinnerungen mit ihm, kam sich hilflos vor und man hielt sich an allen Hoffnungen fest, die es gab.

Ich sagte mir:

„Vielleicht ist alles nicht so schlimm, wie die Ärzte sagen," oder „Der Felix ist stark, ich kenne ihn, der packt das!!"

Doch ich glaube, es gibt nicht genug Worte um die Gedanken, die man in so einem Moment hat, zu beschreiben.

Viele waren den Tränen nahe.

Den ganzen Tag gab es keinen anderen Gedanken als Felix; was wäre, wenn er stirbt und wie die Welt und die Klasse ohne ihn wäre.

Als ich abends vor dem Computer und dem Telefon saß, merkte ich, dass es nicht nur mir so ging.

Jeder versuchte soviel wie möglich zu erfahren, man redete über ihn und machte sich gegenseitig Mut.

Am Dienstag wurde ich dann gegen 19.00 Uhr angerufen und man sagte mir, dass es Felix schlechter ginge und ein Führbittgottesdienst in der Stadtkirche stattfinden würde.

In der Kirche war es sehr still.

Ich freute mich sehr zu sehen, wie viele an Felix' Schicksal Anteil nahmen. Wir erfuhren, dass man bei der OP, die am selben Tag stattgefunden hatte, bemerkt hat, dass die Verletzungen am Hirn stärker waren als angenommen. Die Hoffnung, Felix wieder so zu erleben wie er vor dem Unfall war, wurde immer kleiner.

Wir klammerten uns an den letzen Strohhalm, dass es auch Wunder geben kann, doch die Hoffnungs- und Hilflosigkeit in einem wurde immer stärker.

Der Gedanke, dass Felix ein sicherer Pflegefall werden würde, tat mir sehr weh, da er, so wie ich ihn kannte, das niemals gewollt hätte. Und ich dachte zum ersten Mal daran, dass es vielleicht besser wäre, wenn er doch sterben würde.

Nach dem Gottesdienst traute sich niemand gleich zu verschwinden und wir standen alle mit einer Kerze in der Hand vor der Kirche und trösteten uns gegenseitig.

In dieser Nacht schlief zumindest ich nicht sehr gut.

Am Mittwoch erzählte Herr Ermert dann denjenigen, die es leider nicht mehr zum dem kurzfristigen Gottesdienst geschafft hatten, wie es um Felix stand.

Zudem erfuhr die Klasse noch, dass die Überlebenschancen jetzt noch geringer waren.

Trotz allem mussten wir als Klasse versuchen den Unterricht und den Alltag weiterzuführen.

Doch war es wohl für alle sehr schwer in der Schule mitzuarbeiten und sich zu konzentrieren, da man sich sicher war, dass Felix Platz wohl für immer leer bleiben würde.

(Clemens Zeyher)

 

Donnerstag:

Am Donnerstag kam dann - die - für uns alle schreckliche Nachricht, dass Felix sterben wird und dass medizinisch alles menschenmögliche für ihn getan wurde. Die Reaktion der Klasse war krass, es herrschte Betroffenheit und Trauer und immer wieder kamen mir, wie auch den meisten Anderen, die Fragen auf:

Wieso? Warum? Warum genau Er?

Immer wieder beschäftigt mich die Frage wie es ohne IHN, den lebensfrohen Menschen, der immer einen flotten Spruch auf Lager hatte, sein mag - Nein, daran wollte ich nicht denken! Und ich klammerte mich mehr und mehr an den Gedanken, dass es nur ein Irrtum sei!

Freitag - Sonntag:

Von Freitag bis Sonntag war wohl die - für uns alle schlimmste Zeit - Die Zeit des Wartens - und - Des Hoffen und Bangens - die Meisten suchten gegenseitig Trost oder zogen sich zurück, um mit dieser schrecklichen Situation klar zu kommen. Andere sangen auch Lieder oder beteten für Felix. Qualvoll war auch der Gedanke daran, daß jeden Moment das Telefon klingeln und die Nachricht vom Tod unseres Klassenkameraden und Freundes eintreffen könnte.

Montag:

Der Tag an dem alles vorbei war - für uns alle war es schrecklich von unserem Klassenlehrer, der uns die ganze Zeit betreut hatte, zu erfahren, dass Felix am Sonntag verstorben war. Die Reaktionen waren wie schon am Donnerstag heftig aber es war auch ein Stück weit Erleichterung zu spüren. Eine Kerze erinnert uns an Lix, wie wir ihn immer nannten, - aber nicht nur das - er wird immer in unserer Erinnerung und Teil unseres Lebens bleiben!

Wenn wir an Felix denken, denken wir an Partys/Feiern, Lachen, Intelligente Gespräche und Chemieprofi und an einen ganz besonderen Klassenkameraden, wie man ihn sich wünscht: immer hilfsbereit, verständnisvoll und gut drauf. Er war ein intelligenter Mensch, mit ganz besonderen Fähigkeiten und Gaben und mit ihm in der Klasse wurde es nie langweilig und es gab immer etwas zu lachen. Nun, da er nicht mehr da ist, fehlt in der Klasse etwas, das nie mehr zu ersetzen sein wird.

Doch für mich (und viele) war Felix mehr als nur ein Klassenkamerad, er war ein Freund, ein Freund, wie man ihn sich wünscht. Er versprühte ständig gute Laune und lachte viel, und wenn man ihn brauchte war er für einen da und ließ einen nie im Stich. Felix war bei allem dabei, hatte aber trotzdem seine eigene, ganz persönliche Meinung.

Wir als Klasse und ich persönlich als Freund vermissen Felix sehr und können nicht verstehen warum ein Mensch mit so viel Lebensfreunde von uns gegangen ist. Wir können aber auch auf viele schöne (und tolle) Erlebnisse mit ihm zurückblicken, sei es in der Schule oder privat, die wir für immer in uns tragen werden.

(Christian)

Chor: Den Weg wollen wir gehen

Beitrag der Familie

Gaby

Unfassbar, was das Leben uns antut
Unfassbar, was das Leben uns schenkt.
Mitten in diesem Widerspruch wohne ich.

Wie Antje Sabine Naegeli so geht es momentan auch mir.

Mit Felix hat uns das Leben – ich könnte auch sagen: Gott – ein Kind geschenkt, das mit 1-2 Jahren alle Herzen im Sturm erobert hat. Sei es, wenn er stundenlang selbstgenügsam mit etwas beschäftigt wie ein kleiner Buddha auf einer Stelle saß, oder wenn er wieder einmal herzerweichend weinte.

Oft brauchten unsere Kinder gar kein Spielzeug, weil sie sich in phantasiereiche Rollenspiele verloren. Vielleicht hat sich in dieser Zeit die Leidenschaft fürs Theaterspiel entwickelt. Mit Schülerzeitung, Posaunenchor, Theater, Klettern, Freunden und Lesen – zu seinem 14. Geburtstag wünschte er sich damals ein Abonnement der ZEIT, das bis heute läuft – hatte er oft mehr zu tun als mit der Schule.

Nach einem harten Jahr mit Pubertätskrisen und Zurückgezogenheit begann er sich seit letztem Sommer sehr zu verändern. Ich werde am meisten unser Cappuccinotrinken nach fast jedem Mittagessen vermissen. Manchmal wollte ich dazu in mein Büro – darauf Felix: „Also Mutter, des kansch jetzt net mache.“ Und dann haben wir geredet und diskutiert: über meine Arbeit und Sterbebegleitung, vor allem die ethischen Fragen interessierten ihn da. Über Politik, wobei ich mir da auch manches erklären lassen musste – über Globalisierung, aber auch über Schule, Lehrer, Sinn und Unsinn von Reformen – also über Gott und die Welt.

Felix war auch häufige und geduldige Hilfe in Computerfragen. Und im Erklären war er pädagogisch geschickt und half mir Schritt für Schritt mit unendlicher Geduld weiter.

So erlebte ich Felix: Graderaus, konsequent, unbequem, weil er mich auch mit eigenen Fehlern konfrontierte, aber auch langer Lulatsch, der mich in der Küche fest umarmt, und wenn ich es zu sehr und zu lange genieße, sagt: „Also Mutter, jetzt reichts!“ Oder oft auch ein Zettel: „Bin im Roadhouse, hab dich lieb!“

Das letzte Jahr war ganz besonders. Felix war sehr offen und zugänglich, und ich merkte ihm immer mehr an, dass er zu sich selbst gefunden hatte.

Unfassbar, was für ein Geschenk diese 17 Jahre waren.

Unfassbar, dass sie zu Ende sein sollen.

Saskia

Felix war mein einziger Bruder. Er hat mir aber nicht unbedingt deswegen soviel bedeutet, sondern wegen seiner Art, wie er einen immer wieder mit seiner Ironie auf den Boden zurückholen konnte, einen zum „chillen“ bringen konnte, aber auch, weil man mit ihm über viele Dinge wie Politik und Zukunft diskutieren konnte. Oft habe ich mich in sein Zimmer gesetzt und in seiner Hängematte gelegen, während er mir eine seiner Chemiesachen erklärte, von denen ich leider meist nicht einmal ein Zehntel verstand.

Auch war es einfach schön, mit ihm einen seiner Feuerwerkskörper loszulassen und ihn begeistert von den Dingen sprechen zu hören, an denen er gerade arbeitete. Zwar haben seine Experimente keineswegs immer so funktioniert, wie er es wollte, aber wenn, dann war es umso schöner.

In letzter Zeit war ich immer furchtbar stolz auf ihn, er ist zu einer richtigen Persönlichkeit geworden, hat sich auch in seiner Haut wohl gefühlt.

Für mich hat Felix sein Leben sehr gut gestaltet, hat sich nicht zu sehr in Arbeit gestürzt, sondern auch einfach viel genossen. Ich bin froh und dankbar, dass ich ihn wenigstens für einen Teil des Wegs an meiner Seite haben durfte.

Mona

Für mich ist besonders schön, wie positiv sich unser Verhältnis zueinander entwickelt hat - ganz besonders im letzten Jahr. Bei unseren vielen und offenen Gesprächen kam es mir oft so vor, als ob Felix der Ältere von uns beiden sei, weil er in vielen Dingen so reif war, und seine Ansichten so gut durchdacht waren.

Natürlich haben wir nicht nur immer ernste und tiefsinnige Gespräche geführt, sondern auch viele Späßchen miteinander gemacht, was Felix, wie sicher viele von euch auch wissen, ebenso gut konnte.

Woran ich auch immer gerne und mit einem Schmunzeln denke: Als ich nach Freiburg umzog, gab ich Felix meine Zimmerpflanze mit der Aufgabe, sie gut zu pflegen. Felix ließ es natürlich darauf ankommen und goss sie in den ersten zwei Monaten gar nicht. Als die dann noch lebte, begann er Gefallen an diesem zähen Gewächs zu finden und gab ihr immer mal wieder ein bisschen Wasser. Ab da erzählte er mir jedes Mal ganz stolz am Telefon, dass die "unkaputtbare Pflanze", wie er sie nannte, immer noch lebe.

Für mich war Felix gleichzeitig ein kleiner und ein großer Bruder und auch ein guter Freund.

Jelena

In dieser kurzen Zeit darzustellen, was mir mein Zwillingsbruder bedeutet ist unmöglich und deshalb werde ich euch einen kurzen Einblick über den "Alltag" mit Felix geben.

Wie viele wissen war ich oft mit Felix in Urbach klettern und die Zeit dort war immer gut, selbst wenn ich mir des Öfteren auch nicht besonders schmeichelhafte Kommentare von ihm anhören musste.

In den Ferien haben wir auch oft Zeit zusammen verbracht- sei es im alljährlichen Segeln in Holland, der ganz besondere diesjährige Urlaub in Südfrankreich oder die unzähligen abwechslungsreichen Familienurlaube, bei denen es immer seeehr lustig zuging. Die Spieleabende werden ohne Felix wohl nie mehr dasselbe werden, aber ich werde sie wohl für immer in Erinnerung behalten.

Unzählige Abende haben wir auch mit gemeinsamen Weggehen verbracht, sei es in der Stadt, auf unserem Stückle in Urbach oder am Baggersee.

Vor allem die Zeit in der Theater Ag habe ich als besonders intensiv empfunden. Mit seinen Sprüchen und seiner eigenen Art wird er uns wohl immer fehlen!

Was Felix für mich auch sehr stark ausgemacht hat war seine Klugheit und seine Allgemeinbildung. Von klein auf habe ich immer wenn ich irgendeine Frage gehabt habe meinen "kleinen", immerhin 5 Minuten jüngeren Bruder fragen können.

Aber nicht nur diese Gespräche weiß ich zu schätzen sondern auch die tiefgehenden, privaten. Wenn ich jetzt sage, dass sie für mich einzigartig waren, wäre das fast noch untertrieben.

Auch wenn Felix vielleicht nicht immer ganz vorbildlich war, war er doch ein wundervoller Mensch ohne den ich wohl nie das geworden wäre, was ich jetzt bin.

Rolf

Felix – was war er für mich?

Zunächst einmal: der einzige Sohn. Meine drei Töchter liebe ich über alles, aber in diesem Frauenhaushalt hat er neben mir die männliche Seite vertreten. Nicht als Macho, das gewiss nicht, dafür hat schon der Umgang mit seinen Schwestern und seiner Mutter gesorgt. Felix konnte auch weich sein, zärtlich und liebevoll.

Aber als der Junge, der er war, konnte er mitunter andere Akzente setzen als seine Schwestern. Unbequem konnte er sein, und kritisch, manchmal provozierend. Ich weiß, dass es seine Lehrerinnen und Lehrer nicht immer leicht mit ihm hatten. Aber es war auch sein klarer und scharfer Intellekt, der ihn zu einem interessanten Gesprächspartner machte. Mit ihm konnte ich über gesellschaftliche und politische Themen reden, und er war in manchen Dingen vielen seiner Alterskameraden voraus.

Das werde ich genauso vermissen wie unsere gemeinsamen Fahrradtouren, das Herumtüfteln an komplizierten Computerproblemen (wobei er der Kompetentere von uns beiden war), gemeinsame Spiele, miteinander Skifahren, oder auch zusammen etwas basteln oder konstruieren. Es tut weh zu wissen: das alles wird nie wieder möglich sein.

Unser letztes gemeinsames Projekt war diese kleine Musikanlage, die hier vorne steht. Sie sollte bei Partys auf unserem Gartengrundstück Verwendung finden. Eigentlich wollte sie Felix an seinem 17. Geburtstag einweihen.

Spielen werden wir jetzt ein Lied von Eric Clapton, das dieser geschrieben hat, als sein Sohn durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen ist. In dem Stück „Tears in heaven“ heißt es:

Jenseits der Türe, da ist Frieden,
und ich weiß ganz sicher,
dass es im Himmel keine Tränen gibt…

Tears in heaven (Eric Clapton) (von CD)

Predigt zu Psalm 62,3 (Steffen Kaltenbach)

Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht fallen werde.

Liebe Gaby, lieber Rolf, liebe Saskia, liebe Mona, liebe Jelena, liebe Familie, liebe Freundinnen und Freunde, ihr lieben Menschen, die Ihr mit trauert um Felix,

„Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht fallen werde.“

Felix hat sich diesen Denkspruch zu seiner Konfirmation selbst ausgewählt. Wer den Felix der letzten Jahre kennt, mag über dieses Gebet, das ihm wichtig war, staunen. Ganz wörtlich übersetzt:

Nur er ist mein Fels, meine Rettung, meine Burg. Ich wanke nicht.

Das klingt nach unerschütterlichem Vertrauen. Der Fels in der Brandung, hart, beständig, der Rettungsanker für jeden Notfall, die Trutzburg, die jedem Angriff Stand hält.

Mag sein, dass dieses Wort vom Fels und von der Hilfe dem Kletterer Felix ins Auge gesprungen war. Ich wanke nicht, ich falle nicht, wenn das kein Wort für Kletterer ist!

Aber reicht das zum Denkspruch? Wo es ihm wichtig war, war Felix ein Tüftler und ein Denker. Zufällig ist seine Wahl dieses Denkspruchs nicht. Hatte Felix gespürt, dass er einen solchen Schutzmantel braucht?

Vielleicht führt uns dieses starke Wort von der Trutzburg auf die Spur zu einem nachdenklichen, ernsten, verletzbaren und empfindsamen Innern eines nach außen so stark, so clever, mal fröhlich, mal in sich gekehrt, mal abgeklärt wirkenden jungen Mannes. Vielleicht führt uns dieses Wort vom Schutzbedürfnis auf die Spur eines in hohem Maß über sich selbst nachdenkenden Jungen. Felix hat gern Theater gespielt – in welcher Rolle war er sich selbst besonders nah?

Und dann dieser Glaube: Nur er – Gott – gibt mir letztlich Sicherheit.

Was ist nach Felix` Unfall aus dieser Sicherheit geworden? Was ist, nach diesem Hoffen, Bangen und Verzweifeln im Krankenhaus noch übrig von dem Schutz, den Gott da geben soll? Was ist noch wahr von Felix´ Denkspruch nachdem er so schutzlos sein Leben verlieren musste?

Wo ist die Rettung geblieben, wo die Hilfe der Ärztinnen und Ärzte trotz größtem Einsatz Felix nicht retten konnte?

Das hebräische Wort für Rettung lenkt meinen Gedanken auf die Frage nach der Ohnmacht Gottes:

Jeschua, Rettung, Hilfe, dieses Wort aus dem Denkspruch von Felix ist nichts Anderes als der Name Jesu: Jeschua: Rettung, Hilfe.

Jesus hat die Ohnmacht Gottes am eigenen Leib erlitten. Fürchterlich die Bilder, die sich mir in dem Alter, in dem Felix heute wäre, von Jesu Sterben eingeprägt haben.

Ist Gott so ohnmächtig, dass er das Leben seines Sohnes, der den Namen des Retters trägt, nicht retten kann?

Sieht Gott so tatenlos zu, selbst wenn die Zyniker ihm zurufen: Steig doch herab vom Kreuz, dann wollen wir dir glauben?

Warum lässt Gott da kein Wunder geschehen, nicht letzte Woche in der Intensivstation und nicht vor bald 2000 Jahren auf Golgatha?

Gott muss zusehen, wie sein Sohn stirbt. Es zerreißt ihm schier das Herz. Tears in heaven, tears from heaven to earth.

Gottes Antwort lässt lang auf sich warten, für viele viel zu lang: Drei Nächte lang lässt er mit seiner Antwort am leeren Grab auf sich warten. Endlos lange Nächte. Aber am Schluss begegnen die Jünger dem lebenden Jesus.

Drei lange Nächte, in denen Gott trauert. Eine endlos lange Zeit in unserem Menschenleben. Und er trauert mit euch um euren Felix. Aber diese drei Nächte, darauf vertraue ich mit ganzem Herzen, diese drei Nächte Gottes sind auch für Felix eines Tages zu Ende. Ein neues Leben wartet auch auf ihn. Und bis dahin ist euer Schmerz auch Gottes Schmerz.

Aber kann euch das trösten? Felix ist nicht mehr da und wird in diesem Leben nicht wieder kommen.

Was lag da an Potential in diesem jungen Menschen, in diesem jungen Mann?

Sich vorzustellen, was aus dem Leben eures Felix hätte werden können, tut weh. Ich weiß nicht, wie oft ihr diesen Gedanken gedacht habt, nachdem Felix ins Krankenhaus gebracht war.

Gott sei Dank, ihr habt Unterstützung gefunden, als Familie und in der Klinik. Aber alle Hilfe ändert nichts daran, dass es euer Kind und euer Bruder ist, um den ihr euch gesorgt habt, und der nun fehlen wird.

Ihr, Mona, Jelena, Saskia, Gaby und Rolf, ihr könnt noch viel mit einander erleben; mit euer Felix aber habt ihr keine gemeinsame Zukunft mehr in diesem Leben.

Aber ihr habt noch die Erinnerung, das Glück so kurzer Momente zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Handeln müssen und nichts tun können.

Und ihr ward bei ihm, all die Tage, bis zu seinem letzten Tag, bis zur letzten Stunde, in diesem Leben und noch darüber hinaus. Ich bin sicher: Ihr alle habt euch selbst und auch euren Felix in diesen Tagen noch besser kennen gelernt. Und diese wunderbare Erfahrung, die noch einmal intensiv gespürte Liebe, kann euch niemand nehmen, nicht einmal der Tod.

„Nur er ist mein Fels, meine Rettung, meine Burg. Ich wanke nicht.“

Was wird jetzt aus eurem Glauben, aus eurem Vertrauen auf den Gott, von dem euer Felix sich Schutz und Sicherheit erhofft hatte?

Viele von uns haben seinen ganzen Namen erst jetzt wahrgenommen.

Felix hieß Aljoscha. Ich weiß nicht, wer das von Ihnen, von euch allen gewusst hat.

Ich will euch von einem Aljoscha erzählen, der Gaby und Rolf vor Augen stand, als sie sich für diesen Namen entschieden hatten. Fjodor Dostojewskii hat im letzten Roman seines sehr gebeutelten Lebens das Bild eines jungen Mannes gezeichnet: Aljoscha Karamasow. Vielleicht werdet ihr Züge von Felix Aljoscha in diesem anderen Aljoscha wiederentdecken. Aljoscha war sensibel, feinfühlig, aufmerksam für die Zwischentöne zwischen den Menschen und für die leisen Töne in der Schöpfung. Aljoscha hatte ein großes Herz und eine unstillbare Sehnsucht nach dem, was das Leben wirklich ausmacht. Aljoscha hat sich auf die Suche gemacht, auf die Suche nach dem, was sein Leben trägt; er sehnte sich danach, mit sich selbst im Einklang zu leben. Und Aljoscha hatte eine Ader auch für das Religiöse, für den offenen Himmel, für ein stimmiges Leben auch mit seinem Gott. Aljoscha hat in einem alten Mönch seine spirituelle Orientierung gefunden. Als dieses für viele große geistliche Vorbild starb, erwarteten seine Schüler von dem toten Mönch ein Wunder. Schier hysterisch erwarteten sie das Unerwartete. Doch das Wunder blieb aus. Der hoch verehrte Mönch war nur ein Mensch unter Menschen.

Aljoscha hoffte bis zuletzt auf das Wunder, aber nichts passierte. Seine Hoffnungen zerbrachen. Er verließ das Kloster, wollte allein sein, fand einen Platz unter einem Baum, das Gesicht zum Boden gerichtet.

Da kommt sein alter Kumpan Rakitin und entdeckt Aljoscha unter dem Baum. Rakitin, der Prototyp eines aufgeklärten Atheisten. Aljoscha setzt sich auf. Ein Gespräch entwickelt sich. Rakitin stichelt: Hast du denn im Ernst ein Wunder erwartet? Aljoscha schreit gereizt: „Ich habe es geglaubt, glaube es, will und werde es glauben, was willst du noch?“ Rakitin, der coole Atheist, lässt nicht locker, will Aljoscha den letzten Rest seines Glaubens ausreden: “Pfui Teufel, daran glaubt ja jetzt nicht mal mehr ein dreizehnjähriger Schuljunge!“ Und er legt nach: „Übrigens, zum Teufel…Du bist wohl mit deinem Gott beleidigt, weil er kein Wunder vollbracht hat?“

Aljoscha sieht Rakitin mit zugekniffenen Augen an, und dann blitzt plötzlich etwas in ihm auf … doch es war nicht der Zorn auf Rakitin. Aljoschas Antwort:

„Ich lehne mich nicht gegen Gott auf, ich nehme nur seine Welt nicht an.“

Ich wünsche euch den Glauben, der wohl immer wieder den Tod eures Felix nicht akzeptiert, der aber an Gott und an der Hoffnung auf seine neue Welt festhält.

Mein Wunsch für euch und für euren Felix ist die Hoffnung, die uns Christen eigen ist:

Auch wenn wir uns in diesem Leben endgültig verabschieden müssen, was bleibt ist Hoffnung, die auch und erst recht im Tod gilt:

Nur er ist mein Fels, meine Rettung, meine Burg. Ich wanke nicht. In der Hoffnung auf die Auferweckung aller Toten wünsche ich euch neben allem Rückwärts Schauen auch die Sehnsucht, eines Tages einander wieder zu sehen, unter völlig anderen Vorzeichen, aber doch ganz euer Felix, und ganz ihr selbst. Amen.

Weil das schwer zu glauben ist, möchte ich mit euch beten:

Gebet

Barmherziger Gott,

wenn der Tod in unser Leben schmerzvoll eine nicht zu schließende Lücke reißt, wenn Trauer, Angst und Ohnmacht uns überwältigen, wenn der Glaube an die Liebe in uns verschüttet wird, dann lass uns nicht allein.

Wir danken dir für Felix Aljoscha, wir danken dir für die Freude, die er seine Familie, seine Freundinnen und Freunde erfahren ließ und für die Liebe, die er selbst erfahren durfte.

Wir bitten dich für alle, die um ihn trauern: Lass sie nicht allein, Gott. Im ihrem Namen beten wir:

Gesegnet seien alle, die mir jetzt nicht ausweichen. Dankbar bin ich für jeden, der mir einmal zulächelt und mir seine Hand reicht, wenn ich mich verlassen fühle.

Gesegnet seien die, die mich immer noch besuchen, obwohl sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Gesegnet seien alle, die mir erlauben

von Felix zu sprechen. Ich möchte meine Erinnerungen nicht totschweigen.

Gesegnet seien alle, die mir zuhören, auch wenn das, was ich zu sagen habe sehr schwer zu ertragen ist.

Gesegnet seien alle, die mich nicht ändern wollen, sondern geduldig so annehmen, wie ich jetzt bin.

Gesegnet seien alle, - die mich trösten und mir zusichern, dass Gott mich nicht verlassen hat.

Oh Gott, berge uns alle in Deiner Hand, nimm Dich unser an. Bei Dir bleiben wir - ganz gleich, ob wir noch leben oder schon gestorben sind. Amen.

Lied: Geh unter der Gnade (EG 543, 1-3)

Bekanntgaben (Rolf)

(ggf. Nachruf)

Geleitwort (Gaby und Rolf)

Wir tragen dich zu Grabe

Schritt für Schritt

und vertrauen dich unserer Mutter Erde an

So vertiefen wir das Tragende unserer Beziehung zu dir

dein Lachen und Weinen

deinen kritischen Geist und deine Klugheit

deine Gelassenheit und Leidenschaft

deinen Humor und deine Verletzlichkeit

deine Ironie und deine Liebenswürdigkeit

deine Grenzen und deine Gaben

Schritt für Schritt versuchen wir hineinzuwachsen

in das Urvertrauen

dass du in Gott hineingestorben bist

um auch in uns weiterzuleben

So vertiefen wir das Verbindende unserer Beziehung

und sind aufgefordert

unser Leben angesichts des Todes zu gestalten

damit uns beziehungsreiches Leben

vor dem Tod geschenkt sei

und dein Leben segnend weiterwirkt.

(nach Pierre Stutz)

Geleitwort:

Während der Sarg mit Felix’ Körper hinausgebracht wird, wollen wir im Stillen Gedenken Abschied nehmen.

Wer durch ihn Gutes erlebt hat,

wen er lieb hatte, danke Gott dafür.

Wer von ihm enttäuscht oder verletzt wurde, vergebe ihm.

Wer ihm Unrecht angetan hat,

wer ihm Liebe schuldig geblieben ist,

bitte Gott um Vergebung.

Gott sei mit uns und nehme unseren Dank und unsere Bitte an.

Posaunenbegleitung für den Weg zum Grab

Am Grab

Votum

Die Gnade Jesu Christi und de Friede Gottes und die Gemeinschaft de Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Bestattungswort

Vom Schmerz gezeichnet und von Liebe erfüllt müssen wir Felix Aljoscha begraben. Mit ihm begraben wir die Hoffnung, dass das Leben doch einfach hätte glücklich werden können. Wir vertrauen darauf, dass der Tod das Leben von Felix nicht wertlos macht. Auch wenn er seine Augen schließen musste, wird Gott seine Augen auf ihn richten. Wir legen ihn in Gottes Erde in der Hoffnung auf sein Wort: Siehe ich mache alles neu!

(Sargversenkung)

Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube.

Auferstehungswort

Jesus Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.

Amen.

Vaterunser

Segen

Der Segen des Himmels stärke euch, damit ihr loslassen könnt. Die Kraft der Erde trage euch, damit ihr Felix Gottes Erde anvertrauen könnt. Der Geist Gottes ermutige euch, damit ihr leben könnt. Amen.

Posaunenchor

 

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